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Die digitale Energieverteilung professionell vorbereiten
Seit 1. Januar leitet Franziska Heidecke bei der naturenergie netze GmbH den neuen Bereich „Digitalisierung und Innovation“. Was alles zu ihrem Aufgabengebiet gehört und welche Herausforderungen es auf dem Weg in eine digitalisierte Energieverteilung zu meistern gilt, wollen wir im Interview von ihr erfahren.
Digitalisierung und Innovation – was genau sind Deine Aufgaben?
Franziska: Mein Ziel ist, naturenergie netze gemeinsam mit der Mannschaft fit für die kommenden Herausforderungen zu machen. Auf uns Verteilnetzbetreiber kommen mit der steigenden Menge erneuerbarer Energien, der Elektromobilität und der wachsenden Bedeutung der Sektorenkopplung große Aufgaben zu. Um diesen Veränderungen gewachsen zu sein, müssen wir uns bereits heute vorbereiten: zum Beispiel Kompetenzen aufbauen, neue Technologien etablieren und unsere Datenbasis ertüchtigen. Unter anderem ist meine Aufgabe, unter Einbezug der sich ändernden Rahmenbedingungen ein gemeinsames technisches Zielbild zu entwickeln, an dem wir uns orientieren und zukunftsfähig aufstellen können.
Wo liegen Deine beruflichen Wurzeln? Was bringst Du (für die Aufgabe) mit?
Ursprünglich komme ich aus der Nähe von Hannover. Ich habe an der TU Clausthal Wirtschaftsingenieurwesen studiert und bin dann für meine Diplomarbeit 2012 zur EnBW Regional AG gegangen, damals habe ich mich mit Netzparität beschäftigt – also dem Zustand gleicher Stromgestehungskosten erneuerbarer Energieträger im Vergleich zum Strompreis konventioneller elektrischer Energie. Im Anschluss habe ich drei Jahre als Projektleiterin im Bereich Technik und Innovation der Netze BW gearbeitet, bevor ich für fast zwei Jahre nach Budapest ging und dort bei der ELMÚ-ÉMASZ, einer Beteiligungsgesellschaft der EnBW, als Vorstandsassistentin tätig war.
Ab 2018 habe ich das Digitalisierungsprogramm #NETZlive der Netze BW geleitet. Seit diesem Januar bin ich nun Teil von naturenergie netze.
Noch ist der Bereich eine „Ein-Frau-Show“; wird er wachsen?
Aktuell steht der Mitarbeiter-Aufbau nicht im Fokus. Ich habe bereits in den ersten Wochen sehr viele kompetente Kollegen und Kolleginnen kennengelernt, mit denen ich crossfunktional an Themen wie NAPO, IPS oder auch dem technischen Zielbild arbeiten darf.
Welches sind aktuell die zentralen Digitalisierungstrends in den Verteilnetzen? Man liest von „Smart Metering“ und den damit verbundenen Geschäftsmodellen, mobilen Anwendungen für die Kollegen im Betrieb, Optimierung der Netzsteuerung, Predictive Maintenance (zustandsbasierter Instandhaltung), individualisierter Kundenansprache und neuen Kontaktkanälen.
Hier hast Du schon ein paar wesentliche Punkte angesprochen. Ich sehe für die Verteilnetzbetreiber drei wesentliche Schwerpunkte, in denen wir Trends denken und umsetzen müssen: Mit Blick auf die Technik gehört dazu Transparenz im Netz (Aktorik und Sensorik), aber auch ein Neudenken der Systemlandschaft und die Frage ,Wie sieht die Leitstelle der Zukunft aus?‘. Wichtig sind aber auch der Einstieg in die Anomalie-Erkennung im Bereich Informationssicherheit, die Datenkommunikation und vieles mehr.
Bei der Regulatorik sind es die Umsetzung neuer Anforderungen wie etwa Redispatch 2.0, die sich dann auch wieder auf die Technik auswirken, oder Veränderungen in der Anreizregulierung. Und nicht zuletzt in der Organisation gibt es hinsichtlich neuer benötigter Kompetenzen, der veränderten Prozesse oder beim Thema Daten-Ownership noch viele offene Punkte.
Was sind die kurzfristigen Ziele?
Zunächst ist es wichtig, einfach mal anzufangen. Es gibt schon ein paar Initiativen, die bei naturenergie netze laufen und die bereits stark in die neue Welt gedacht sind. Dazu gehören zum Beispiel die teilautomatisierte Leitungsbefliegung mit Multikoptern oder der elektrifizierte Standort in Schallstadt. Außerdem möchte ich kurzfristig das Thema Transparenz im Netz sowie die Umsetzungen der Anforderungen des Redispatch 2.0 angehen. Aber: wir dürfen uns an dieser Stelle nicht übernehmen und nicht alles auf einmal wollen. Ein Schritt nach dem anderen führt uns sicher zum Ziel.
Und auf längere Sicht? Wo soll naturenergie netze in fünf bis zehn Jahren stehen? Kann man einen Ausblick wagen? Jo Pfister sprach davon, dass „wir eine schnelle und inhaltlich hochqualitative Transformation in die Digitalisierung der Netze schaffen“ müssen.
Langfristig brauchen wir ein klares gemeinsames technisches Zielbild, das mit den Kollegen zusammen erarbeitet ist und auf das wir zuarbeiten. Ich kann und möchte das Ziel nicht im Alleingang festlegen – dafür braucht es den intensiven Austausch mit den Kollegen. Ich schließe mich den Worten von Jo Pfister an – wir müssen die Transformation in die Digitalisierung der Netze schaffen, um langfristig der regionale, ökologische und digitale Infrastrukturbetreiber zu sein.
Welche Auswirkungen hat das auf die Mitarbeiter? Welches Know-how ist notwendig? Ändert sich die Arbeitsstruktur?
Wir werden crossfunktionale Teams bilden und da, wo es sinnvoll ist, mehr auf agiles Arbeiten setzen. Ich bin derzeit dabei, erste passende Aufgaben zu definieren, anhand derer wir in diese Arbeitsweisen einsteigen können. Ich sehe in den Veränderungen der Energiewirtschaft für uns alle eine große Chance – wo sonst kann man so weitreichend und tiefgreifend eine Branche mitgestalten und die eigene Beteiligung an Weichenstellungen miterleben wie bei uns in den Verteilnetzen? Mich motiviert das unheimlich – und ich gehe davon aus, dass ich nicht alleine bin.
Eines der aktuellen Beispiele ist SMIGHT Grid. Was hat es damit auf sich?
Mit der Energie- und Mobilitätswende wächst die Zahl der Einspeiser und dezentralen Verbraucher mit neuen Anforderungen im Verteilnetz. Wir digitalisieren unser Niederspannungsnetz mit dem Ziel, kurzfristig Transparenz im Netz zu schaffen und mittelfristig ein intelligentes Einspeise- und Lastmanagement aufzubauen. Dafür nutzen wir eine innovative Technologie, die von der Netze BW GmbH und dem EnBW Start-up SMIGHT entwickelt wurde: die IoT-Lösung „SMIGHT Grid“. Wir konzentrieren uns zunächst auf das Gebiet um Donaueschingen. Danach wollen wir die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um SMIGHT im gesamten Netzgebiet auszurollen. Ziel ist es, die Effizienz zu steigern und möglichst viel Information aus möglichst wenigen Messpunkten zu gewinnen.
Des Weiteren sind wir mit SMIGHT schon in der Weiterentwicklung der Version 2.0, bei der dann auch die Spannung und somit die Richtung des Stromflusses bestimmt werden kann. Und auch das Thema Kurzschlussstromanzeiger ist für uns wichtig. Auch hier unterstützen wir SMIGHT, indem wir unsere Erfahrungen und Anforderungen teilen und so zur Produktentwicklung ein gutes Stück beitragen. Uns hilft dies dann, im Fehlerfall noch schneller vor Ort sein zu können, um die Kunden wieder zu versorgen.
Bei all den Aufgaben – bleibt Dir da noch Zeit abzuschalten? Wie und wo tankst Du denn Energie?
Mir macht die Arbeit großen Spaß – das ist, glaube ich, schon mal sehr wichtig. Trotzdem genieße ich meine Freizeit und bin gern draußen unterwegs – joggen, Fahrrad fahren oder im Winter snowboarden. Und ich freue mich schon wieder, wenn man auch mal abends in den Biergarten oder ins Restaurant gehen kann.
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